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Aus der Flugpraxis entwickelte theoretische Abhandlungen über:
Allgemeine Flugmodell- und Fernsteuertechnik
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Nur der Versuch einer Antwort auf die Frage nach der Notwendigkeit von:

Profiländerungen am Außenflügel

     Übergibt man ein Flugmodell seinem Element Luft, treten bei der Umspülung durch dieses Gasgemisch, besonders an den tragenden Teilen, geheimnisvolle Dinge auf. Geheimnisvoll deshalb, weil die Strömungsvorgänge einfach nicht sichtbar sind. Mittels Wind- Rauchkanalmessungen, selbst unter Zuhilfenahme von Daunensonden und Stethoskopen, versuchten Forscher Licht in das Dunkel zu bringen. Die Ergebnisse dieser noch immer andauernden Bemühungen sind in unzähligen Veröffentlichungen seit der letzten Jahrhundertwende und auch schon davor niedergeschrieben worden.
     Nicht genug, dass die ganze Strömungsproblematik für den Laien schwer zu erfassende Gesetzmäßigkeiten in sich birgt (z.B. Verstehen der Zirkulationstheorie), kommt noch als äußerst erschwerend hinzu, dass es sehr vereinfacht gesagt, nicht nur große, sondern auch kleine Flugkörper gibt, deren Verhaltensweisen sich in der Strömung beträchtlich voneinander unterscheiden und tatsächlich sind manche Forschungsergebnisse der Luftfahrt für die Kategorie Modellflug nicht anwendbar. Trotzdem werden Profilmessungen aus dem Re-Zahlbereich der Großfliegerei in allen möglichen (unmöglichen) Veröffentlichungen für Vergleiche im Modellflug herangezogen. (Zur Erinne rung: die Re-Zahl = v.t/ν [mit v als der Fluggeschwindigkeit, t als der Flügeltiefe und ν sprich Ny als der kinematischen Zähigkeit der Luft], erstreckt sich bei großen Reynoldszahlen (Re >106) wie sie bei Flugzeugtragflächen vorkommen, auf den Widerstandsbeiwert. Bei kleineren Re-Zahlen wie im Modellflug (<106), entsteht eine erhebliche Abhängigkeit des Widerstandsbeiwertes und des Auftriebs). Man sollte sich auch damit abfinden, dass die für Computer erstellten Profilrechenprogramme Widerstandsergebnisse auswerfen, die nur annähernd und bestenfalls für Re-Zahlen ab >100.000 gelten. Für kleinere Re-Zahlen sind sie kaum brauchbar!
     Hätten wir ein fundiertes Lehrbuch, das sich ausschließlich nach der Aerodynamik bzw. Flugmechanik des Modellflugs orientiert, gäbe es so manche Ungereimtheit nicht. Auch der Autor dieser Abhandlung muss großteils vertrauensvoll seine diesbezügliche Neugier aus der klassischen Literatur befriedigen und hegt bei so manchen, ausschließlich für die Großfliegerei gemessenen und errechneten Ergebnissen bzw. Aussagen, seine Zweifel, ob sie denn auch für den Modellflug ihre Gültigkeit haben. Aus lukrativen, militärischen Gründen wird eben nur für die Großfliegerei geforscht. Dass trotzdem neue Erkenntnisse aus Profilforschungen für den Modellflug zur Verfügung stehen, verdanken wir meist privaten Initiativen in Göttigen und Chicago.
     Kommen wir aber nach dieser langen Vorrede zum Thema. Stabilitätsprobleme im Modellflug, vornehmlich der Querstabilität, sind meist aerodynamischen Ursprungs und weniger Fehler der Flugmechanik. In vielen Fällen wären Maßnahmen zur Stabilitätsverbesserung also gar nicht notwendig, hätte man von vornherein das aerodynamische Übel falscher Profilwahl bedacht. In dieser Abhandlung soll nicht nur dieses Problem tief greifender beleuchtet werden, sondern auch die Vorgänge, welche sich durch das Zusammenspiel bestimmter Flügelgrundrisse und Profiländerungen im Außenflügelbereich, eben auch zum Zwecke der Stabilitätsverbesserung, ergeben.
     Wenn nachstehend auf Lehrmeinungen der Großfliegerei eingegangen wird, so nur deshalb, um aufzuzeigen, wie verlockend diese Theorien sind, um auch Verbesserungen am Fluggerät des Modellflugs herbeizuführen. Schon in den frühesten Schriften der Aerodynamik wird berichtet (Ludwig Prandtl, 1914), dass bei der Umströmung einer Tragfläche, die örtlichen Auftriebswerte von der Wurzel (Flügelmitte) beginnend bis zum Flügelende, von vorn betrachtet und zeichnerisch dargestellt, eine elliptische Form bilden. Der Auftrieb ist also in der Mitte am höchsten und am Ende gleich Null. Man spricht so gesehen von einer elliptischen Auftriebsverteilung (auch bei einer Rechteckfläche annähernd elliptisch). Der aus ihr abgeleitete induzierte Widerstand (induzieren, in der Fachsprache: bewirken) hängt vom Profil, dem Umriss und der Verwindung ab. Ferner nimmt die Auftriebsverteilung Einfluss auf Abreißerscheinungen am Flügel, auf die Wahl seines Umrisses, auf die Festigkeit (Lastverteilung) und auf weitere für den Aerodynamiker notwendige Untersuchungsmöglichkeiten (Abwindermittlung, Kraftmomente).
      Diese ungleichförmige Auftriebsverteilung längs der Spannweite am Normalflügel (Rechteckflügel ohne Endscheiben) führt sogar bei wachsendem Anstellwinkel (bei konstanter Anströmgeschwindigkeit!) zu einem Abreißen der Strömung in der Flügelmitte, noch bevor der mittlere Auftriebsbeiwert cam den maximalen Auftriebsbeiwert camax erreicht hat. Dieses nicht gerade erwünschte Phänomen wird durch am Rumpf angesetzte Flächen, im Besondern beim Tiefdecker, begünstigt. (Es gibt nicht umsonst eine Debatte: Tiefdeckersegler!).
       Man sollte aber immer bedenken, dass die elliptische Auftriebsverteilung als Gesetzmäßigkeit des Großfluges davon ausgeht, dass sich die Strömung dort über dem gesamten Flügelgrundriss laminar anliegend verhält.
       Ferner sieht die vereinfachte Darstellung einen Tragflügel, an dem sich ein Ausgleich durch Umströmung um die Endkanten (Endleiste) herum zwischen den Saugdrücken an der Profiloberseite und den Überdrücken an der Unterseite, bildet. Es sinkt an den Enden der Tragfläche der Auftrieb infolge des von unten nach oben eintretenden Druckausgleiches
      Durch die Abwärtsgeschwindigkeit der Abströmung über den gesamten Spannweitenbereich der Tragfläche wird der wirksame Anstellwinkel kleiner. Für gleichen Auftrieb muss daher der Flügel steiler angestellt werden, was wiederum einen zusätzlichen ('induzierten') Widerstand zur Folge hat. Der induzierte Widerstand cwi ist also ein Folge der durch die endliche Spannweite entstehenden Randwirbel und des Randwiderstandes. Seine Größe hängt von der Streckung Λ (Lambda) = b²/F oder dem Seitenverhältnis λ = b/tm ab, von der Auftriebsverteilung über der Spannweite b, also vom Umriss der Fläche, so wie von der Änderung des Profils bzw. des Anstellwinkels über der gesamten Tragfläche.
      Der bei Windkanaluntersuchungen gemessene Profilwiderstand kann den induzierten Widerstand also nicht einschließen, weil durch die Abwärtsgeschwindigkeit der Abströmung (sie wird auch Störgeschwindigkeit genannt) der 'wirksame' Anstellwinkel am Messprofilflügel eine Verkleinerung erfährt. Für gleichen Auftrieb muss daher der Flügel steiler angestellt werden. Um aber den Gesamtwiderstand für gleichen Auftrieb zwischen 'wirksamen' und 'induzierten' Anstellwinkel zu erhalten, muss cwi separat errechnet und (neben dem Restwiderstand cwr) dem für sonstige Berechnungen erforderlichen Gesamtwiderstand cw´ eines Flugmodells hinzugefügt werden. Für ein auf Gleiten eingestelltes Segelflugmodell mit etwa 24 N/m² Flächenbelastung und der Streckung L 10, beträgt der Anteil des induzierten Widerstandes cwi am Gesamtwiderstand = 44%, für bestes Sinken = 54%. (Verbessert sich bei elliptischem Flügelgrundriss beim Großflugzeug um lediglich 4,5%).
      Wegen des doch sehr großen Anteils von cwi am Gesamtwiderstand, wird bei Großflugzeugen verständlicherweise durch besondere Gegenmaßnahmen wie z.B. Winglets, eine nicht unbeträchtliche Treibstoffersparnis erzielt. Zusammenfassend sei gesagt: bei der elliptischen Auftriebsverteilung, die mit guter Annäherung auch für den Rechteckflügel vergleichbar ist, (cwi nur ~ 4,5% größer), ist cwi am geringsten und kann cwi = ca² / π * Λ gesetzt werden. Die elliptische Auftriebsverteilung tritt in reinster Form beim Flügel mit elliptischem Grundriss und unverändert gehaltenem Einstellwinkel auf. Sie erzielt konstante, den sich verjüngenden Flügeltiefen und Auftriebsverhältnissen angepasste Störgeschwindigkeiten (Abwärtsgeschwindigkeit) und damit kleinste induzierte Widerstände. (Andere Flügelgrundrisse bedingen höhere Störgeschwindigkeiten und induzierte Anstellwinkel und somit größere induzierte Widerstände). Der gleiche Zustand wie bei der Fläche mit elliptischem Grundriss wird in etwa durch Verwindung des Außenflügels erzielt. Dagegen weist die Dreiecksform (Deltaflügel) eine Zunahme des cwi von 14% auf. Trapez- oder Doppeltrapezflächen schneiden im Vergleich besser ab, doch wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dort ein starker Einfluss der Re-Zahlen (Außenbereiche der Flächen) zum Tragen kommt!
      Sieht man vom Flügelgrundriss ab, ist aus obiger Formel für cwi erkennbar, dass im wesentlichen Auftrieb und Streckung seine Größe beeinflussen. Da ca mit dem Quadrat in die cwi- Formel eingeht, mit zunehmendem ca sich aber auch die Fluggeschwindigkeit verringert, wäre im Langsamflugbereich (Modellflug) besonderes Augenmerk auf den induzierten Widerstand zu richten.

Welche Theorien reizen nun zu Profiländerungen an Flügelenden:

1.) Eine elliptische Auftriebsverteilung lässt sich bei anderen als dem elliptischen Flügelgrundriss, durch eine geometrische oder -und aerodynamische Flügelverwindung erreichen. Eine geometrische Verwindung ist dann gegeben, wenn über der gesamten Spannweite das gleiche Profil verwendet wird, sich aber der Einstellwinkel in Spannweitenrichtung negativ ändert. Ändert sich dagegen das Profil bei konstantem Einstellwinkel, spricht man von einer aerodynamischen Verwindung. Selbstverständlich kann man beide vermischen. (Fälschlicherweise wird für Verwindung häufig das Wort Schränkung verwendet. In der Flugmechanik bezeichnet man die Einstellwinkeldifferenz zwischen Ober- und Unterflügel eines Doppeldeckers als Schränkung, aber ebenso die Einstellwinkeldifferenz zwischen Tragfläche und Höhenleitwerk). Hier tritt übrigens eine Ambivalenz (Doppelwertigkeit) auf, denn eine Theorie besagt, dass durch die Verwindung der Flächenenden das Überziehverhalten und damit auch die Längsstabilität beträchtlich verbessert werden, reißt doch die Strömung beim Überziehen (Geschwindigkeitsverminderung) zuerst in der Flügelmitte ab und es wegen der geringeren Anstellung der Außenprofile, dort erst gar nicht zum Abriss kommt. Das Modell sackt einfach durch und schmiert nicht nach einer Seite ab.

2.) Eine weitere Theorie erklärt den Einsatz von dickeren Flügelprofilen im Flächenendenbereich, gegenüber jenen im Mittelbereich der Tragfläche so: betrachtet man ein Polardiagramm mit den Werten drei verschieden dicker Profile, erkennt man, dass bei den dicker, stärker gewölbten Profilen, die Strömung gegenüber dem dünneren, weniger gewölbten, erst bei weit höheren Anstellwinkeln abreißt, wenn auch bei insgesamt größeren Profilwiderständen. Beim Überziehen treten wie im Beispiel 1.) somit die gleichen Erscheinungen auf.
      Aus den gleichen Beweggründen setzte Ing. Wilfried Klinger schon anfangs der Sechszigerjahre bei seinem RC-Kunstflugmodell 'Commander' im Außenflächenbereich dickere Profile ein als im Wurzelbereich. Diese Maßnahme scheint bei nicht zu dicken, symmetrischen oder semisymmetrischen Profilen mit kleinen Nasenradien durchaus vertretbar. In beiden Fällen glaubt man also, durch unterschiedliche Maßnahmen der Profiländerung, Stabilitätsprobleme in den Griff zu bekommen, wenn auch im ersteren aerodynamische Gesichtspunkte dazu führten.

Der Knackpunkt ist aber die kritische Re-Zahl Rek:

Dass im Bereich Modellflug, gegenüber dem Großflug, wegen der stark unterschiedlichen Maße der Flügeltiefen und Fluggeschwindigkeiten an den vergleichenden Tragflächen, unterschiedliche Strömungsvorgänge stattfinden, ist allgemein bekannt. Weniger Beachtung findet jedoch der Begriff der kritischen Re-Zahl Rek, die hier eine entscheidende Rolle spielt: Wird im Strömungskanal bei konstantem Anstellwinkel die Anströmgeschwindigkeit und damit die Re-Zahl stetig verändert, findet beim Durchlauf bei einer sogenannten kritischen Re-Zahl eine sprunghafte Veränderung des Auftriebsbeiwertes ca und des Widerstandsbeiwertes cw statt. Unterhalb dieser kritischen Re-Zahl ist die Strömung an der Flügelsaugseite abgelöst, was einen großen Widerstand und kleinen Auftrieb verursacht. (Verschlechterung der Gleitzahl um mehr als das doppelte!). Oberhalb der kritischen Re-Zahl liegt die Strömung an und dies führt zu kleinem Widerstand und großem Auftrieb.
      Diese sprunghafte Veränderung der Strömung und der aerodynamischen Beiwerte beim Durchlaufen der kritischen Re-Zahl ist ein Grenzschichteffekt und ist auf den Umschlag der Grenzschicht von der laminaren in die turbulente Strömungsform zurückzuführen: ausgehend vom Staupunkt an der Flügelnase verläuft die Grenzschicht zunächst in jedem Fall laminar. Ist Re kleiner als die kritische Reynoldszahl (unterkritischer Zustand), bleibt die Grenzschicht auch hinter dem Druckminimum (höchste Stelle der Profiloberseite) laminar und löst sich kurz danach ab. Es entsteht ein Totwassergebiet, das sich bis hinter die Flächenhinterkante erstreckt (Strömungsabriss).

Abb. 1: Unterkritische Strömung. a Profil, b Stromlinien, c Randstromlinie, d Totwassergebiet, e örtlich begrenztes Totwassergebiet (Ablöseblase),
f turbulente Grenzschicht

     Wird hingegen die die kritische Re-Zahl überschritten (überkritischer Zustand), bildet sich auf der Flügelsaugseite hinter einer laminaren Ablösestelle am Ende einer Ablöseblase, an der Wand des schon erwähnten Totwassergebietes, eine turbulent anliegende Strömung bis zur Hinterkante aus. (Man beachte in diesem Zusammenhang den Beitrag 'Sperber' We 371)

Abb. 2: Überkritische Strömung auf der Profiloberseite

     Bei üblichen Flügelprofilen, die maximal 10% Oberseitenwölbung, gemessen von der Profiltangente, aufweisen, hat die kritische Re-Zahl Rek die Größenordnung 100.000. Kleinere Werte kritischer Re-Zahlen ergeben sich bei Profilen mit kleinen Nasenradien und weniger gewölbten (dünneren) Profilen. Auch adhäsive, fischhautähnliche Oberflächen, wie Styropor oder Seidengewebe tragen dazu bei.
       Nun entstammen obige Werte Messungen bei Strömungszuständen im Windkanal, die nicht ganz mit der natürlichen, rein laminaren Strömung, die sich bei Flug eines Modells einstellt, vergleichbar sind. Im praktischen Flugbetrieb liegt Rek daher erfahrungsgemäß noch etwas höher. (Früheres Abreißverhalten im Flug als bei gleicher Re- Zahl des Polardiagramms). Ein Aufdicken von Profilen führt also unweigerlich zu weit höheren Rek-Zahlen! Ich wage hier die Aussage, dass aus meiner Erfahrung, für das Zustandekommen einer überkritischen Strömung am Flügelprofil, grundsätzlich nicht die Profildicke oder die Mittellinienwölbung als Indikatoren verantwortlich sind, sondern ganz entscheidend das yomax eines Profils, gemessen von der Profilsehne und die Formgestaltung der Profiloberseite.
       Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass besonders bei dicken Profilen bzw. bei großen Nasenhalbmessern, der Übergang der Saugseitenströmung vom unter- zum überkritischen Zustand und umgekehrt, abrupt, ohne Zwischenübergang erfolgt, jedoch bei unterschiedlichen Re-Zahlen. Gemeint ist, dass die unterkritische Strömung bei Geschwindigkeitszunahme leider etwas länger in ihrem Zustand verweilt, bei Geschwindigkeitsabnahme die überkritische Strömung erfreulicherweise ebenfalls länger verweilt, also über den Punkt des Anliegens der unterkritischen Strömung hinaus noch überkritisch bleibt! Dieser Verharrintervall zwischen 'Anspringen' und 'Abreißen' wird als Hysteresis bezeichnet. Kein Wunder also, wenn so manches Modell beim 'anheizen' plötzlich mit überragenden Flugleistungen aufwartet.
       Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass bei einer Profilmessung mit Re 75.000 die Saugseitenströmung für negative Anstellwinkel noch unterkritisch bleibt und erst bei etwa 0° hin zu positiven Anstellwinkeln, sich die turbulente Grenzschicht wieder anlegt. Bei großen Anstellwinkeln findet abermals ein Übergang zum unterkritischen Zustand statt. Bei dünnen Profilen mit kleinen Nasenhalbmessern liegt Rek bei etwa < 30.000. allerdings bleibt der überkritische Zustand nur auf einem sehr kleinen Anstellwinkelbereich beschränkt.


      Zusammenfassung: Elliptischer Grundriss, Trapezflächen, die moderne Diskusform, oder jegliche Art von Winglets, bedingen gegen das Flügelende zu, kleine Flügeltiefen. Die Re-Zahl wird damit zunehmend oder beträchtlich kleiner und Rek schnell erreicht bzw. meist merklich unterschritten. Dann helfen nurmehr widerstandserhöhende Maßnahmen wie Turbulatoren, die helfen, Rek herabzusetzen. Oder eben entsprechend dünnere, flachere, keulenförmige oder symmetrische Profile, also solche mit keiner oder geringer Mittellinienwölbung, demnach mit geringer Oberseitendicke bezogen auf die Profilsehne und kleinen Nasenhalbmessern.
       Fazit: Auf Grund unzähliger Flugversuche an Umrissformen und Flügelendkonfigurationen bin ich heute bei Flugmodellen, bei denen ein gutes vy (Sinkgeschwindigkeit) aber auch hervorragende Querstabilität angestrebt wird, Vertreter des Rechteckflügels, ohne jegliche Profiländerung oder Verwindung.
      Irgendwelche Maßnahmen zur Querstabilitätsverbesserung sind bei Rechteckflächen mit kleinen Ohren überflüssig. Hier kommt die elliptische Auftriebsverteilung mit ihrem Phänomen des Strömungsabrisses bei hohen Anstellwinkeln in der Flächenmitte, voll zum Tragen. Es muss nur ein Profil eingesetzt werden, das unter Berücksichtigung der Flügeltiefe, überkritische Flugzustände im praktischen Anstellwinkelbereich garantiert. So vermeidet man beträchtliche Leistungseinbußen, die man sich bei schmäler werdenden Endbereichen von Tragflächen durch auftretende Rek-Zahlen einhandelt.
      Die für gute Querstabilität erforderlichen geringen Trägheitsmomente (Massekonzentration im Schwerpunkt), wie sie vorzugsweise Trapez- oder Ellipsengrundrisse mit sich bringen, kompensiert man bei einer Rechtecktragfläche durch den auch festigkeitsmäßig vorteilhaften, sukzessiven Leichtbau zum Flügelende hin.
      Ferner verringert sich bei gegebener Spannweite die Flächenbelastung G/F zu Gunsten einer besseren Sinkgeschwindigkeit. Als positiver Nebeneffekt sei auch noch erwähnt, dass der für ein ausgewogenes Seitensteuer-Kurvenverhalten eingesetzte V-Form-Flächenteil der Ohren in Rechteckform, beträchtlich kleiner gehalten werden kann, als bei anderen Grundrissen des Flügelendbereiches.
       Allerdings: im Zeitalter der 'Diskusorchideen' sind Rechteckflächen wohl 'gewöhnungsbedürftig'.

    Schrifttum:
  • Dr. CH. Baron, FMT-Extra 29, RC-Segelflug
  • F. Dubs, Aerodynamik der reinen Unterschallströmung
  • Dr. K. Krämer, Forschung auf dem Gebiete des Ingenieurwesens
  • Dr. Ing. A. Pröll, Grundlagen der Aeromechanik und Flugmechanik
  • F. W. Schmitz, Aerodynamik des Flugmodells
Nachtrag:

       Im Zusammenhang mit obigem Artikel stellt sich die durchaus berechtigte aber auch interessante Frage, wie oder auch woran man denn eigentlich ein unterkritisch fliegendes Flugmodell erkennt? Prinzipiell an der schon erwähnten schlechten Gleitleistung bzw. Sinkgeschwindigkeit. Wird nicht exakt gemessen, muss dieses Erkennen als subjektiv eingestuft werden. Es gibt aber doch einen guten Hinweis darauf. Lässt sich ein Modell justament nicht austrimmen, so dass man gar nicht mehr weiß, ob das Ding kopf- oder schwanzlastig ist, kann man mit großer Wahrscheinlichkeit als Ursache dafür einen unterkritischen Strömungszustand annehmen. Alle Bemühungen einer Schwerpunktverschiebung oder EWD-Änderung bringen nichts. Beim Fernsteuern tritt zudem noch eine Art schwammiges Steuergefühl auf.
      Mir ist z.B. schon seit langem ein sich im Handel befindlicher kleiner Anfängersegler bekannt, dessen Auslegung eine Re-Zahl von unter 30.000 ergibt. Die kritische Re-Zahl Rek des verwendeten Clark Y-ähnlichen Profils liegt jedoch jenseits 100.000. Startet man so ein Modell mit der ihm innewohnenden Gleitfluggeschwindigkeit von etwa 4 m/s, erreicht es bestenfalls den Gleitwinkel eines Papierknödels am Weg zum Papierkorb. Verwendet man es dagegen als Speer, sind doch erstaunliche Weiten zu erzielen, aber nur so lange, bis die Wurfenergie aufgebraucht ist. Dann fällt das Modellchen abermals in der vorher beschriebenen Weise zu Boden. Fast überflüssig zu erwähnen, dass man laut Bauplan keine EWD benötigt. Allerdings würde auch sie das Modell nicht vom unterkritischen Zustand befreien.
      Immer wieder wird in Argumentationen bemerkt, dass es früher in der Freiflugzeit diese Probleme nicht gab. Also, sie waren schon da, speziell bei den Modellen vor 1945! Strömungsabrisse gab es eigentlich kaum, denn die Modelle wurden ja möglichst genau auf ihre modellspezifische Gleitfluggeschwindigkeit eingestellt. Die Sinkgeschwindigkeitsrate war aber wegen falscher Profilwahl und dem daraus resultierenden unterkritischen Strömungszustand häufig enttäuschend. Der dadurch auftretende Widerstand trug eher zu einer Stabilisierung um alle Achsen bei. Bei Schwanzlastigkeit pumpte das Modell einfach bis zu einer mehr oder weniger glimpflichen Landung. Ganz anders bei den heutigen Modellen hoher Flächenbelastungen. Wenn es da zu einem Strömungsabriss kommt, dauert es verdrießlich lange bis zu einer möglichen Stabilisierung. Nicht vergessen sollte man auch, dass die Oldies der Rippen-Papierbespannungsbauweise huldigten. Von einer Profiltreue, wie sie heutzutage bei allen schalenbauähnlichen Bauweisen der Fall ist, konnte nicht die Rede sein. Durch das Einfallen der Papierbespannung zwischen den Rippen entstand ein Konglomerat von Profilformen. Auf diese Weise wurden dabei wesentlich dünnere, mit stumpfen Nasenradien versehene Profile produziert, deren 'Durchschnitts-Rek' weit unter der des ursprünglich für den Entwurf gewählten Profils lag.
      Beim RC-E-Segler hoher Flächenbelastung können durch das Steuern beträchtliche Geschwindigkeitsunterschiede und damit Re-Zahlveränderungen auftreten. Bewegen sich zudem Teile der Tragfläche wegen kleiner Flügeltiefen nahe Rek, ist bei der geringsten Geschwindigkeitsminderung (Versuch, gutes Sinken zu erzielen) ein Strömungsabriss unvermeidlich. Solche Modelle beherrscht man nur wenn sie 'zügig' geflogen werden.

Erstveröffentlichung: Zeitschrift prop 3+4/2000
Last Update: 15.03.2002 © by Oskar Czepa