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Aus der Flugpraxis entwickelte theoretische Abhandlungen über:
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       Für Freunde des Antikmodellflugs, der       

'ZAHNSTOCHER'

  
  ferngesteuert.

     Als Siegermodell der Freiflug-WM 1951 wurde dieses Flugmodell wegen seines revolutionären Entwurfes in Fachkreisen zur Weltsensation. Es leitete die Epoche des modernen Modellflugs ein und erhielt dafür einen Ehrenplatz im "Deutschen Museum" in München. Nach über einem halben Jahrhundert baute Alfred Haiden nun eine RC-Version.

     Eigentlich erübrigt es sich, noch mehr über den "Zahnstocher" zu schreiben, denn dieses Modell füllte schon zu seiner Zeit so manche Spalte der Modellflugmagazine vieler Länder. Auch später gab es wiederholt Abhandlungen in "prop" und Baupläne davon sind heute noch im Umlauf. Für unsere jüngeren Leser scheint aber ein kurzer, geschichtlicher Abschnitt angebracht.

     Geboren wurde der Name des Modells beim späten Zusammensein der Mannschaften aller teilnehmenden Nationen am denkwürdigen 24. August 1951, dem Austragungstag dieser A2 (F1A) WM in Lesce Bled, im damaligen Jugoslawien, heute Slowenien. Dort überreichte der englische Modellflieger Mike Thomas dem Sieger gratulierend, unter großem Hallo der umstehenden Modellflieger, einen winzigen Nachbau dieses Modells. Die filigranen Tragflächen und das Leitwerk waren aus dünnem Bespannpapier nachempfunden. Den Rumpf aber bildete ein Zahnstocher. Ein neuer Modellname ward geboren! Dazu schrieb die englische Zeitschrift "Aeromodeller" u.a.: "Erfüllt von viel kreativem Enthusiasmus und mit Sliwowitz gestaltet!"
     Noch im selben Jahr wurde in der Dezemberausgabe der englischen Modellflugzeitschrift "Model Aircraft" der nebenstehend abgebildete Bauplan vom "Toothpick" als der Segler des Jahres veröffentlicht. Der Mentor einer kleinen Wiener Nachkriegsmodellfluggruppe, Erich Jedelsky †, schrieb in seinen Erinnerungen "Zur Wiener Schule des Freiflugmodells" unter anderem: Die Quintessenz der "Wiener Schule" stellt sich dar als die bewusste Abkehr von der Art der bisherigen Flugmodelle, deren Formgebung immer noch weitgehend von der mehr oder weniger bewussten Vorstellung des "Flugmodells als kleines Flugzeug" geprägt war, hin zur voll bewussten Einsicht, dass die Formgebung des Leistungsflugmodells als eigengesetzlicher Flugkörper zu gestalten ist: als rein funktioneller Typ...
     Während die viel wichtigere Profilentwicklung, weg von den alten ungünstigen, dicken, wenig gewölbten Profilen, hin zur leistungsfähigen Form der neuen schlanken extremen Konkavprofile nicht sehr sichtbar war - mehr im Stillen vor sich ging und sich nur in der überlegenen Gleitflugleistung der Modelle der "Wiener Schule" zeigte - war die erste rein funktionelle Rumpfform beim FAI-Modell, der Stabrumpf mit der kurzen stromlinienförmigen Verdickung, sofort in die Augen springend - optisch spektakulär...
     Darum wirkten die Modelle der "Wiener Schule" auf der WM 1951 so spektakulär und als dann noch das extremste dieser Richtung, der "Zahnstocher" von Ossi Czepa siegte, wurde weitgehend allgemein bewusst, dass ein Leistungsflugmodell als eigengesetzliches Luftfahrzeug in seiner Formgebung seinen eigenen, rein funktionellen Forderungen gehorchen müsse
... So weit Erich Jedelsky.

      Alfred Haiden, ein bei St. Pölten beheimateter, überaus aktiver Modellbauer par excellence, Hoflieferant des "Deutschen Segelflugmuseums mit Modellflug e.V." auf der Rhön (Sperl-Habicht, Baby, Hast, Power House / zur Lieferung bereit: 2 Kiggen Cirrus und ein Gentsch) und Erbauer des hier vorgestellten "RC-Zahnstochers", schreibt über seine Arbeit: der Bau dieses Modells beschäftigte mich gedanklich schon über zwei Jahre. Die heutzutage minimierten Fernsteuerkomponenten verlockten nicht nur dazu, sondern boten endlich die Möglichkeit, sie in die kleinen Rumpf- bzw. Leitwerksquerschnitte dieses Modelltyps unterzubringen. Anlässlich eines Telefonats im April 2003 sprach auch O. Czepa darüber. Sofort stellte ich den Bau des gerade begonnenen "Stiegker" ein - eines Segelflugmodells des deutschen Paul Hucke aus dem Jahre 1941 - und begann augenblicklich mit den Vorbereitungen zum Bau des ferngesteuerten "Zahnstochers". Vorhandene Baupläne wurden einige Stunden lang studiert, Johann Kainrath aus Feldbach ersucht, bestimmte Materialien, insbesondere die Balsaprofilbrettchen zu liefern und die Fernsteuerkomponenten beschafft. Diese wurden dann wie folgt untergebracht: Empfängerakku Sanyo Twicell 700 in der Rumpfspitze und der Empfänger Graupner XP 8 FM unter der Flügelauflage. Für die beiden von robbe austria gesponserten FS 30 Pico-Servos fand sich in der Leitwerksbirne ausreichend Platz. Von ihnen führen einfache Drahtgestänge zu den zwei Epoxydruderhörnern der V-Leitwerksruder.

      Zum Bau selbst: Nachbauten von Flugmodellen nach O. Czepa sind nicht leicht zu bewerkstelligen und eine Herausforderung für jeden Modellbauer, vielleicht ein Grund, weshalb ganz allgemein so wenige "Zahnstocher" nachgebaut wurden. Bei vorliegender RC-Version wurden weder Konstruktions- noch Materialänderungen vorgenommen. Das Modell behielt daher auch sein stark gewölbtes Konkavprofil. Lediglich die Dreiecksrumpfspanten wurden mit Bohrungen für den Durchzug der speziell dafür ausgesuchten leichten, verdrillten 3pol-PC-Silberkabel versehen, entnommen einem alten PC, und das V-Leitwerk erhielt kleine Ruder. Selbst die Bespannung wurde gewichts- und farbmäßig dem Original angepaßt.

      Erstaunlich ist die insgesamt hohe Festigkeit dieses doch filigran anmutenden Modells. Der Rumpf ist ein Speer und die Tragflächen halten auch starker Belastung im Hochstart stand. Bei einer Gesamtfläche von 34 dm² hatte das Original nach früherer Dimension 12 g/dm² Flächenbelastung, also ein Gewicht von 410 Gramm. Das Leergewicht des "RC-Zahnstochers" beträgt nun 363 Gramm. Um das Gewicht der in der Birne untergebrachten Servos und der langen Zuleitungen zu kompensieren, mussten in der Rumpfspitze neben dem E-Akku noch 109 Gramm Blei als Zusatzballast untergebracht werden. Zusammen mit den 93 Gramm der RC-Komponenten ergab sich schließlich ein Abfluggewicht von 565 Gramm. Dies ergibt eine Flächenbelastung von 16,61 N/m², bezogen auf die Gesamtfläche von 0,34 m².

      In der Einflugphase probierte sich auch der Urheber des "Zahnstochers" bei der RC-Version als Testpilot. Schon die ersten Handstarts vermittelten das Gefühl, als hätten sie gestern stattgefunden und nicht vor fünf Jahrzehnten. Am liebsten wäre der Starter wie einst hinter dem Modell nachgelaufen, um ihm von Zeit zu Zeit einen Schubs zu geben. Ein seinerzeitiges Spielchen mit endlosen Gleitflügen im Gefolge. Heute ist schon die Rückholerei von und nach einigen Handstarts Sport genug.

      Seinerzeit wurde das Modell mittels einer dünnen 100 m Hochstartschnur durch mehr oder weniger schnelles Laufen, den Windverhältnissen entsprechend, auf Höhe gebracht. Ein Ausbrechen konnte nur durch gefühlvolle Zurücknahme der Laufgeschwindigkeit korrigiert werden. Unvergesslich, ja fast erhebend war daher der erste RC-Hochstart mit Gummiseil. Das Modell fuhr mit wenig Vorspannung wie auf Schienen kerzengerade hoch und stieg selbst dann noch, als sich das Gummiseil weiter zu spannen begann. Erst starkes Nachdrücken ermöglichte das Ausklinken. Offensichtlich erfolgte dieser Start also Hand in Hand mit einer Ablösung. Nun stellte sich aber heraus, dass die Seitenruderwirkung wegen der innen liegenden kleinen Ruder sehr schwach agierte, das Modell aber in der Thermik weiter weg stieg. Also volles Tiefenruder, Fahrt aufnehmen und jetzt kam endlich, wenn auch langsam, die gewünschte Kurve mit der man dem Bart halbwegs entfliehen konnte, sonst wäre schon beim ersten Hochstart das Modell auf Reise gegangen. Übrigens, selbst bei starkem Andrücken gab es keinerlei Anzeichen von Unterschneiden. Auch die Fahrtaufnahme war dabei eher gering. Man hatte das Gefühl, als wären Bremsklappen ausgefahren. Wirkte vielleicht dabei der Strömungsabriss auf der Unterseite des stark gewölbten Profils als Bremse?
      Inzwischen wurden die Ruder nach außen weitergeführt und so eine sehr gute Seitenruderwirkung erreicht. Foto zeigt Linksausschlag.
      Mögen die Puristen unter den Freifliegern es nicht all zu übel nehmen, dass nun auch der "Zahnstocher" vom RC-Flug vereinnahmt wurde.

Erich Jedelsky †, Alfred Haiden, Oskar Czepa

Erstveröffentlichung: Zeitschrift prop 4/2003
Last Update: 08.11.2004 © by Oskar Czepa